Interview Smartbroker: Auf neuen Wegen zu alten Zielen

Wir korrigieren eine falsche Entscheidung von vor mehr als einem Jahr. Allein die Tatsache, dass wir rund 5 Mio. EUR abschreiben müssen, zeigt, dass Fehler passiert sind. Das müssen wir uns selbst auch ganz offen eingestehen. Die Frage ist allerdings, was die jüngste Entscheidung für unsere Zukunft bedeutet. An dieser Stelle sind wir optimistisch und überzeugt davon, mit der Baader Bank bestmöglich aufgestellt zu sein.

Nein. Wir haben auch hinsichtlich der Zahlen einen Schlussstrich gezogen. Weitere Abschreibungen im Zusammenhang mit unseren Aktivitäten während der vergangenen Monate sind nicht zu sehen. Trotzdem schmerzt uns natürlich auch der kommunizierte Betrag. Ein Grund, weswegen die Abschreibung nicht höher ausfällt, liegt auch darin, dass wir nur einen Teil der Arbeit verwerfen müssen. Viele Dinge können wir weiterverwenden oder auf den neuen Anwendungsfall hin anpassen. Auch deswegen kommt der aus Ihrer Sicht niedrige Betrag zustande.

Wir haben rund 28 Mio. EUR in der Kasse und sehen uns für alle bevorstehenden Aufgaben solide finanziert. Hinzu kommt, dass wir erstens mit unserem Portalgeschäft auch weiterhin Geld verdienen und wir zweitens, dank der neuen Partnerschaft mit der Baader Bank das Potenzial haben, Erträge über das aktuell bestehende Potenzial hinaus zu generieren.

Brokerage ist komplex und von einem hohen Regulierungsgrad gekennzeichnet. Die Strategie meines Vorgängers im Amt des CEO war es, das Backend (gemeint ist die Wertpapierabwicklung, Anmerkung der Redaktion) größtenteils extern neu entwickeln zu lassen. Dieses Projekt ist in Verzug und wir mussten uns fragen, wie zuverlässig und planbar die Fertigstellung ist. Die Vereinbarung mit der Baader Bank gibt uns die Chance auf Rechtssicherheit und Planbarkeit einerseits und das Potenzial für steigende Erträge je Transaktion andererseits. Die Baader Bank bietet uns ein bestehendes, funktionierendes System, das wir nutzen und für unseren Bedarf anpassen können. Wir wollen unseren operativen Break-Even auch weiterhin im Jahr 2024 erreichen. Diese Planungen berücksichtigen Marketingausgaben, um ab 2024 jährlich mindestens 75.000 neue Kunden vom Smartbroker überzeugen zu können. Gemessen an unseren langfristigen Zielen hat sich kaum etwas verändert.

Nein, wir sind von unserem Profil als Next Generation Broker überzeugt und hätten gerne auch 2022 noch stärker um die Gunst neuer Kunden geworben. Es geht für uns nicht darum, die Ereignisse schönzureden. Auch wollen wir nicht zu weit in die Zukunft blicken. Unsere Aufgabe ist es jetzt, die beschlossene Strategie erfolgreich umzusetzen und den Grundstein für die Zukunft zu legen. Dabei gilt das Prinzip: Erst liefern, dann reden.

Fakt ist, dass wir dank der Baader Bank viele Services aus einer Hand erhalten. Das befreit uns in gewissen Bereichen auch von regulatorischen Anforderungen. Gleichzeitig werden wir aber auch flexibler: Wir stellen nicht nur das Frontend und betreuen die Kunden. Wir stellen auch wesentliche Teile der Middleware, zu der Sicherheitsauthentifizierung, Order-Vorbereitung oder Abrechnung zählen. Dieser Bereich ist etwa wichtig, wenn es darum geht, Kooperationspartner, wie etwa Trading-Plattformen, an unser System anzudocken. Wir gehen davon aus, dass ein solcher Schritt in Zukunft deutlich leichter vonstattengehen wird.

Spruchreif ist darüber hinaus, dass wir unsere Zielgruppe ausweiten können: Wir bieten in Zukunft auch Junior- und Gemeinschaftsdepots an und legen zudem einen zusätzlichen Fokus auf Geschäftskunden. Hinzu kommt die Möglichkeit, die wichtigsten Krypto-Währungen zu handeln. Das bisherige Leistungsangebot und auch die Tarife bleiben bestehen. Wir wollen auch in Zukunft in Broker-Vergleichen punkten und Nutzern, die viele Handelsplätze und guten Service gewohnt sind, alles bieten, was sie benötigen. Wir bleiben ein Full-Service-Anbieter mit attraktiven Konditionen. Es kommen lediglich einige neue Features und eine moderne App sowie eine zeitgemäße Order-Maske hinzu. Nach außen hin treten wir in jedem Bereich als Smartbroker auf. „Unter der Haube“ unterstützt uns die Baader Bank mit einem verlässlichen und leistungsstarken Backend.

Wir möchten dazu keine Prognose abgeben. Fakt ist aber, dass etwa die Einführung einer Trading-App durchaus höhere Handelsumsätze generiert. Da wir mit unserem Leistungs-Angebot bislang viele ambitionierte Trader und auch Neueinsteiger überzeugen konnten, gehen wir davon aus, dass die Junior-, Gemeinschafts- oder Geschäftskunden-Depots ebenfalls gut angenommen werden. Wir werden damit unserem Anspruch, auch ambitionierten Anlegern ein vielschichtiges Angebot zu unterbreiten, noch stärker gerecht als bisher.

Ja. Wir glauben auch weiterhin daran, dass der Weg zwischen Information und Aktion möglichst kurz sein sollte. Die geplante neue Struktur begünstigt diesen Ansatz sogar, da es zwischen den Aufgaben, die unsere Partner übernehmen und dem, was wir in House leisten, eine klare Trennung gibt. Grundsätzlich sind viele Ideen rund um Content machbar. In erster Linie wollen wir diese Pläne auf unseren eigenen Seiten umsetzen. Denkbar sind aber auch Kooperationen mit Dritt-Anbietern. Das Thema Content-Einbindung rückt aber erst dann in den Vordergrund, wenn wir unsere Ziele für 2023 erreicht haben und Bestandskunden das neue System begeistert nutzen.

Wir kalkulieren die Zahl der Kunden, welche die Migration nicht begleiten wollen, sehr konservativ. Das heißt, wir setzen die Absprungrate bei 10-15% an. Es gibt aber gute Gründe dafür, dass uns deutlich mehr Kunden begleiten werden: Erstens bekommen die Nutzer mit der Migration endlich das, was sie sich gewünscht haben: eine leistungsfähige App. Obendrauf kommt ein größeres Leistungsspektrum. Hinzu kommt, dass wir durchaus bereit sind, unseren Kunden den Wechsel schmackhaft zu machen, wir haben da bereits einige Ideen. Als letztes Argument für eine erfolgreiche Migration muss unser auch heute schon sehr konkurrenzfähiges Angebot gelten. Unabhängige Tester sind begeistert und auch Kunden schätzen unser Angebot sehr. Da es nach der Migration noch besser wird, gibt es gute Gründe, optimistisch zu sein.

Wir werden im Januar die Zahlen zum aktuellen Geschäftsjahr vermelden. Bis wir einen verlässlichen Ausblick wagen können, wollen wir zunächst die Entwicklung unserer neuen Infrastruktur und der Migration abwarten. Während ersteres bis zum Sommer abgeschlossen sein sollte, wird es voraussichtlich große Teile des zweiten Halbjahrs dauern, bis sämtliche Kunden migriert sind und wir das Projekt guten Gewissens abschließen können. Sobald wir einen seriösen Ausblick wagen können, gehen wir damit an die Öffentlichkeit. Anleger sollten sich vor Augen führen, dass das Portal-Geschäft der Smartbroker Holding AG auch weiterhin profitabel ist und wir mit unserer neuen Trading-Infrastruktur den richtigen Weg gehen, um unsere Ziele zu erreichen. Am Ende wird für die Kunden ein besseres Produkt und für uns als Unternehmen eine attraktivere Marge mit geringeren technischen und regulatorischen Risiken stehen. Gerade der letzte Punkt ist in den vergangenen Tagen viel diskutiert worden. 2023 wird für uns ein Jahr voller Veränderungen. Wir freuen uns darauf!